In ihrer jährlichen Übersicht über globale Innovatoren stellt die Boston Consulting Group fest, dass die Corona-Pandemie, das sich verändernde makroökonomische Klima und die ansteigenden geopolitischen Spannungen bei der Fachdisziplin “Innovation” alle ihren Tribut gefordert haben.
Konfrontiert mit grosser Unsicherheit haben Führungskräfte die Aufmerksamkeit von mittelfristigen Wettbewerbsvorteilen auf kurzfristige Agilität verlagert. In diesem Umfeld haben die Innovationsinvestitionen gelitten. Die Folge ist, dass Unternehmen für das Rennen, das auf uns zukommt, weniger fit sind.
Feststellungen
Seit 18 Jahren befragt BCG Unternehmen um herauszufinden, welchen Stellenwert “Innovation” hat. Ist es “Top”, das heisst auf Platz eins? Oder ist es unter den ersten drei oder den ersten fünf Themen?
Regional betrachtet führt China bei der Priorisierung. 92 % der Unternehmen nennen “Innovation” als eine ihrer drei wichtigsten Prioritäten. Die zwei grössten Veränderungen in den letzten 12 Monaten wurden in Nordamerika festgestellt, wo dieser Wert um 11 auf 81 % anstieg, und Afrika und der Mittlere Osten, wo er um 10 auf 85 % anstieg. Europa, Zentralasien und der Rest von Asien liegen bei etwa 80 %.
Aus Branchensicht wird das höchste “Top-3” Ranking wenig überraschend bei Tech Hardware festgestellt (Nvidia lässt grüssen). Der tiefste Stellenwert liegt mit 67 % bei Gross- und Detailhandel. Die grösste Veränderung wurde bei Medien und Unterhaltung gemessen; dort sprang der Wert von 68 % in 2023 auf 94 % in 2024.
Ursachen
Als Ursache wurde eine zu tief liegende Innovationsbereitschaft identifiziert. Dies ist die Fähigkeit, hohe Ambitionen in Wertschöpfung umzusetzen.
Mit einem Benchmarking-Test hat BCG festgestellt, dass in den vergangenen zwei Jahren die Innovationsbereitschaft dermassen heruntergeplumpst ist, dass nur noch 3 % der Unternehmen in der “readiness zone” sind, verglichen mit 20 % in 2022. Diese Beobachtung gilt für alle Regionen mit Ausnahme von China.
Für die Wettbewerbsfähigkeit von westlichen Unternehmen ist das ziemlich alarmierend.
Der Schluss daraus ist, dass in 97 % der Unternehmen Handlungsbedarf besteht, die Innovationsbereitschaft wieder zu verbessern und zu erhöhen.
Die Autoren haben sieben Dimensionen gefunden, die die Innovationsbereitschaft beeinflussen:
Ambitionen: Gibt es spezifische und ehrgeizige Ziele in Verbindung mit Strategie und Wertschöpfung?
Domänen: Konzentrieren wir uns auf eine begrenzte Anzahl attraktiver Innovationsbereiche, in denen wir eine Möglichkeit auf Erfolg haben?
Governance: Sind die Mitarbeiter und Budgets auf die Prioritäten ausgerichtet?
Portfolio- und Leistungsmanagement: Wird das Portfolio rigoros verwaltet, und sind Innovationsentscheidungen und Vergütungen an strategiekonforme KPIs gekoppelt?
Organisation und Ökosysteme: Wird Innovation von der Unternehmensleitung gefördert, und gibt es zweckmässige Innovationsteams/-vehikel für die verschiedenen Arten von Innovation und unterschiedliche Zeitrahmen?
Talent und Kultur: Haben wir eine Kultur der Innovation, und wird Innovation als Karrierebeschleuniger gesehen?
Von der Idee zur Wirkung: Verfügen wir über Ideenfindungsmethoden und -prozesse, um Ideen zu erforschen und zu skalieren?
Dies können Sie als Checkliste für sich nehmen um in ein paar Minuten festzustellen, wo Sie mit Ihrem eigenen Unternehmen stehen.
Massnahmen
Um die Innovationsbereitschafts-Lücke zu schliessen und einen Neustart zu wagen, wird am besten bei der Strategie begonnen.
Die wichtigsten vier Punkte aus der Studie sind:
“Senior Executive Ownership”
Innovation wird vom CEO und anderen prominenten Mitgliedern der Geschäftsleitung gefördert. Ein Beispiel: Bei der Tata Group treibt der Vorstandsvorsitzende Natarajan Chandrasekaran die Innovation von oben nach unten mit dem Fokus auf drei Prinzipien: 1. In grossen Dimensionen denken und streben; 2. zuerst die Richtung, dann die Geschwindigkeit; und 3. Unternehmenswerte vor Marktbewertungen.
Dieses Unternehmen denkt definitiv gross – es plant zwischen 2022 und 2027 Investitionen in der Höhe von 120 Milliarden USD .
Klarheit über die Rolle der Innovation
Es gibt eine gemeinsame Geschichte über den Zweck der Innovation, und wie sie die strategische Ausrichtung des Unternehmens unterstützt. Auf der Ebene der Tata Group geht es um die Beschleunigung der Entwicklung Indiens und und die industrielle Basis in wichtigen Bereichen wie Automobil und Halbleitern.
Eindeutig festgelegte Domänen
Das Innovationsportfolio ist auf spezifische Innovationsbereiche ausgerichtet, die die allgemeine Geschäftsstrategie unterstützen. Chandrasekaran kommuniziert der Organisation klar, dass „einige Wetten für uns sind, andere nicht.“ Das Unternehmen hat Querschnittsthemen identifiziert, darunter Nachhaltigkeit und Digitalisierung, innerhalb derer sie gezielte Investitionen in spezielle Domänen wie Elektrofahrzeuge (EVs) und 5G tätigt.
Ziel-Portfolio-Struktur
Die Innovationsleitung hat eine Vision, wie Talente und Ressourcen in verschiedenen Bereichen und über Zeiträume hinweg eingesetzt werden, um die strategischen Ziele des Unternehmens zu erreichen. Als er die Zügel in die Hand nahm, arbeitete Chandrasekaran mit den Divisionsleitern zusammen, um das Portfolio zu harmonisieren und sich auf eine Reihe klar definierter Bereiche zu konzentrieren. Von jedem Geschäftsbereich von Tata wird erwartet, für sein Innovationsportfolio eine Balance zu finden zwischen Projekten, die sofortige Gewinne versprechen, und attraktiven längerfristigen Projekten.
Die obigen vier Schwerpunkte können Sie für sich nehmen und sich fragen
- Wie sieht es bei uns aus?
- Genügt dies, um unsere mittelfristigen Unternehmensziele zu erreichen?
Bild: Credit BCG