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Wie die Schweiz wegen eines TV-Blogs in Aufruhr geriet …

Am BlogCamp 3.0, das am 29.8.2008 in Zürich, diesmal im TechnoPark, durchgeführt wurde, vermittelte Dr. Matthias Ackeret, Chefredaktor der Zeitschrift „Persönlich„, einen Einblick in die Entstehung von TeleBlocher.

Es ist eine faszinierende Geschichte, bei der es letztendlich nicht um Geld, Macht oder Politik geht, sondern um Innovation.

Der frühere Bundesrat Dr. Christoph Blocher polarisiere, erläuterte M. Ackeret. Die Menschen verehren ihn glühend oder seien gegen ihn, dazwischen gebe es fast nichts. Die Ursache ortet er in der klassischen „Tellerwäscher-Karriere made in Switzerland“. Chr. Blocher hat es industriell aus eigener Kraft zum mehrfachen Milliardär, militärisch zum Stabsoffizier und politisch bis zum Bundesrat gebracht. Klar, dass es da auch Neider gibt.

Der Kontakt von M. Ackeret zu Chr. Blocher entstand, als es um die Erschaffung des Buchs „Das Blocher-Prinzip“ ging. Das Buch erschien in einem kleinen Verlag, dem für die Werbung nur limitierte Mittel zur Verfügung stehen.

Not macht bekanntlich erfinderisch, und Innovation wird in der überwiegenden Zahl der Fälle durch Leidensdruck induziert. So auch hier. Der Autor und der Verlag überlegten sich, wie sie auf eine kosteneffiziente Weise Werbung für das Buch „Das Blocher-Prinzip“ machen könnten. Es entstand die Idee, eine Webseite aufzuschalten, in der der damalige Bundesrat einmal pro Woche zu bestimmten Fragen seine Sicht der Dinge darlegt.

Gesagt, getan. Chr. Blocher, damals noch Bundesrat, sagte zu, einmal in der Woche eine Stunde für ein Interview zur Video-Verfügung zu stehen. Die Randbedingungen waren

  • Es dürfen alle Fragen gestellt werden
  • Das Interview wird ungeschnitten ins Netz gestellt
  • Es darf „nichts“ kosten.

M. Ackeret erläuterte, dass alle Fragen gestellt werden dürfen sei im Journalismus eine Sensation. Bei den klassischen Medien, Zeitungen wie Fernsehen, sei es üblich, dass jedes Wort in einem Interview durch Pressesprecher abgewogen werden. Der im Publikum anwesende Journalist und Blogger Helmut-Maria Glogger gab dazu ein paar Hintergrund-Informationen und erläuterte, dass das was wir in der offiziellen Presse lesen „Verlautbarungs-Information“ sei und nichts mehr mit Journalismus zu tun habe. Es sei vielmehr so, dass einige Journalisten das Gefühl hätten, weil sie in „Bern“ nahe bei der Macht sind seien sie es, die die Macht in Händen halten und die Politik machten.

Dem Kommentar nach, den die NZZ zu diesem Vortrag publiziert, fühlt sie sich durch diese Feststellungen ziemlich auf den Schlips getreten, weil ihr so die Larve heruntergerissen wird. Das Schweizer Fernsehen hat schon früher heftige Attacken gegen das Videoblog TeleBlocher geritten. Beim Fernsehen dürfte das Motiv die Angst sein, dass die Konsumenten merken, dass guter Journalismus auch mit bedeutend tieferen Kosten als bei der SRG gemacht werden kann.

Die „out of pocket“ Kosten für eine Ausgabe von TeleBlocher belaufen sich auf rund 500 Franken pro Sendung, das Honorar für den Journalisten. Die übrigen Kosten werden durch zwei Festangestellte des Verlags getragen (Kameramann und Tontechniker), die diese Aufgabe im Rahmen ihrer normalen Tätigkeit ausführen. Wie bereits festgestellt war ja das Ziel von TeleBlocher, möglichst günstig Werbung für das Buch zu machen.

Was nun geschah war aber etwas völlig anderes: TeleBlocher schlug ein wie eine Granate und wurde eine Sensation. Bundesbern wurde in den Grundfesten erschüttert und geriet ziemlich in Aufruhr. „Blocher hat einen eigenen Fernsehkanal“, „Berlusconisierung der Schweiz“ und weiteres machte die Runde. Auch die Gesetzeshüter und weitere Beamte standen rasch auf der Matte. Ob das rechtens sei, was da geschehe, ob man das verbieten müsse, ob da neue Regulierungen notwendig seien und wohl auch, ob hier für den Staat noch eine neue Einnahmequelle erschlossen werden könnte.

Auf die Frage angesprochen, was denn diese enormen Reaktionen verursacht habe, meint M. Ackeret, es sei die Authentizität. Chr. Blocher habe die Fähigkeit, nicht nur eine Meinung zu haben, sondern diese auch kundzutun. Kundzutun auf eine glaubhafte Art und Weise. Hinzustehen und seine Meinung zu vertreten, auch wenn sie vielleicht nicht bequem sei. Und Dinge durchzuziehen.

Bundesrat Pascal Couchepin behauptet, er könne sich kein eigenes Fernsehen leisten, weil er nicht Milliardär sei. TeleBlocher beweist das Gegenteil.

IMG 0073 Ausschnitt komprimiertEs braucht aber andere Voraussetzungen, damit ein Videoblog erfolgreich ist: Es braucht einen Inhalt. „Content is King“ sagen die Werbeleute; dies wird durch TeleBlocher eindrücklich bestätigt. Es komme auch nicht auf die Darstellung an. Peter Hogenkamp, der Organisator des BlogCamp 3.0, der in Personalunion während dem Vortrag die Livedemo durchführt, bemerkt dazu, es wäre aber vielleicht eine gute Idee, beim TeleBlocher auch noch 500 Franken in die grafische Gestaltung zu investieren. Ein anderer Teilnehmer bemerkt, die RSS-Feeds würden auch noch fehlen; diese würden die Bekanntheit dieses Videoblogs noch weiter fördern.

Auf die Frage, ob TeleBlocher werbefinanziert sei, antwortet M. Ackeret, aufgrund der Polarisierung, die durch Chr. Blocher stattfinde, sei es kaum möglich, Werbeeinnahmen zu bekommen. Die einzige Werbung im TeleBlocher ist für das Buch „Das Blocher-Prinzip“; dafür ist diese Plattform auch erschaffen worden.

„Hat TeleBlocher Ihr Leben verändert?“, möchte ein Teilnehmer wissen. „Und würden Sie so etwas noch einmal realisieren?“. M. Ackeret antwortet freimütig, dass TeleBlocher sein Leben verändert hat. Er sei zum Beispiel plötzlich im Radio gekommen, das sei schon etwas neues gewesen. Aber er würde so ein Projekt wieder machen. Es sei Pionierarbeit, und es sei das erste Videoblog dieser Art. Das Medium sei so gut, dass der englische Premierminister Gordon Brown demnächst eine ähnliche Plattform realisiere.

Tag: BlogCampSwitzerland